Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft
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Stellungnahme zu Open Access und Open Science

Die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) bekennt sich zu den Paradigmen von Open Science und Open Access[1] und unterstützt die 2003 veröffentlichte „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“. Forschungsergebnisse, die auf einer öffentlichen Finanzierung basieren, sollten in größtmöglichem Maße einer interessierten Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung stehen, um den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zu befördern und Desinformation entgegenzuwirken. Open Science fördert die Transparenz von Forschungsprozessen und verbessert somit die Qualität von Forschung im Sinne der „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Open Science erhöht die Zugänglichkeit, Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen.

Die Politikwissenschaft ist eine vielfältige und heterogene Disziplin, die unterschiedliche Publikationskulturen in sich vereint. Diese Vielfalt erkennen wir an und betonen, dass auch im Kontext von Open Access und des digitalen Wandels traditionelle Formen der Wissenschaftskommunikation wertvoll sind und bleiben werden. Insbesondere gilt dies für das Medium des gedruckten Buches und die Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren, unabhängigen Wissenschaftsverlagen.

Ausgangslage: Wandel zum Open Access

Der Open-Access-Anteil am Publikationsaufkommen in der Politikwissenschaft steigt seit der Jahrtausendwende kontinuierlich an und wird auch weiterhin wachsen. Zugleich wird das Publizieren im Open Access von Fördermittelgebern und politischen Akteuren zunehmend verbindlich eingefordert. Nicht zuletzt steigt der Anteil von elektronischen Publikationen im Vergleich zu gedruckten Publikationen – auch dies begünstigt die Ausbreitung von Open Access.

Der kommerzielle Markt für wissenschaftliches Publizieren hat auf diese Entwicklungen reagiert. Es wurden und werden Geschäftsmodelle etabliert, die besonders für die global agierenden Wissenschaftsverlage einträglich sind. Mit Blick auf diese Geschäftsmodelle lässt sich eine fundamentale Umkehr von Finanzierungsströmen beobachten: Subskriptionsgebühren[2] fallen weg; stattdessen werden Publikationsgebühren[3] fällig, die in vielen Fällen mit Hilfe aus Mitteln von Forschungseinrichtungen und Bibliotheken finanziert werden müssen.

Herausforderungen: Verhinderung einer umfassenden Kommerzialisierung

Während durch die Umkehrung der Finanzierungsströme im Open Access die Rezeption wissenschaftlicher Publikationen stark erleichtert wird, erschweren die Publikationsgebühren den Zugang zu renommierten Publikationsorganen für viele potentielle Autor*innen. Dies gilt insbesondere für Wissenschaftler*innen ohne Affiliation zu einer finanzstarken Forschungseinrichtung. Dies kann Ungleichheiten – vor allem im internationalen Kontext – hervorbringen und festigen.

Zentral ist außerdem das Problem der zunehmenden Marktkonzentration im wissenschaftlichen Publikationswesen. Dieser Markt wird von einem sich immer weiter verfestigenden Oligopol internationaler Konzerne dominiert, die die Publikations- und Subskriptionskosten in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich in die Höhe getrieben haben. Diese Kosten stehen mittlerweile oft in einem enormen Missverhältnis zu den von den Verlagen angebotenen Dienstleistungen.

Hinzu kommt die Tendenz, den gesamten Forschungsprozess zu kommerzialisieren, wobei zunehmend auch Nutzerdaten in fragwürdiger Weise Teil von Geschäftsmodellen werden (die Praktiken des Datentrackings durch Wissenschaftsverlage wurden bereits 2021 von der DFG kritisiert).

Die DVPW begrüßt vor diesem Hintergrund den Ansatz, Transformationsverträge wie z. B. im Rahmen des DEAL-Konsortiums auszuhandeln und erkennt an, dass dies zu transparenteren Vertragsbedingungen und Preisen führen kann. Jedoch ist nicht absehbar, ob mit diesem Ansatz die Open-Access-Transformation im Sinne der Berliner Erklärung gelingen kann.

Der Kommerzialisierung des wissenschaftlichen Arbeits- und Publikationsprozesses muss daher entgegengetreten werden. Dies kann langfristig nur gelingen, wenn die Marktkonzentration eingedämmt wird. Hierzu sollte unterschiedlichen Akteuren ein fairer Marktzugang zu gewährt werden.

Forderungen: Aufrechterhaltung der Vielfalt des Verlagswesens und öffentliche Plattformen

Vor diesem Hintergrund unterstützt die DVPW die Forderungen des Rates der Europäischen Union und von Bund und Ländern, denen zufolge der Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen entgegengetreten werden muss und nach denen sog. „diamond“ bzw. „scholar led“ Open-Access-Modelle künftig gestärkt werden müssen. Beim Diamond Open Access fallen keine Publikationsgebühren für Autor*innen oder Herausgebende an. Stattdessen werden die Kosten von institutionellen Akteuren wie bspw. Fachgesellschaften, Forschungseinrichtungen und Bibliotheken getragen.

„Diamond Open Access“ in Zusammenarbeit mit unabhängigen Verlagen oder mit nicht-profitorientierten Forschungsinfrastruktureinrichtungen birgt die Chance, Kosten zu reduzieren und die Freiheit sowie die Qualität der Wissenschaft zu stärken. Geschäftsmodelle, in denen Subskriptionsgebühren beibehalten werden und zusätzlich Publikationskosten für das „Freikaufen“ von einzelnen Artikeln im Open Access für die Autor*innen entstehen, lehnt die DVPW entschieden ab. Bibliotheken und andere öffentlich finanzierte Forschungsakteure sollten Verträge, die derartige Geschäftsmodelle beinhalten, nicht mittragen. Die Forschungsförderung soll Finanzierungsmodelle unterstützen, die nachhaltige Rahmenbedingungen für nicht-kommerzielle Plattformen bieten, deren Nutzung sowohl für Autor*innen als auch für Lesende kostenlos ist.

Beschlossen vom Vorstand der DVPW am 06.02.2024.

Diese und andere Stellungnahmen der DVPW finden Sie auch auf dieser Seite.

 

[1]     Während Open Science ein sehr weit gefasstes Konzept ist, das unter anderem den Umgang mit Forschungsdaten und -software einschließt, handelt es sich bei Open Access um ein konkret begrenztes Teilgebiet von Open Science. Unter Open Access wird der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur im Internet verstanden.

[2]     Dies meint v.a. Lizenzierungskosten, die von Bibliotheken für das Abschließen von Zeitschriftenabonnements entrichtet werden.

[3]     Zu nennen sind hier v.a. Article Processing Charges, die von Autor*innen für die Publikation eines Zeitschriftenartikels in einem Open Access Journal erhoben werden.